Teil 1: Handel der Zukunft – Diese Megatrends beeinflussen den Handel von morgen

Viele Händler und Markenartikelhersteller haben zu spät realisiert, dass es sich beim E-Commerce Boom nicht um einen vorübergehenden Trend handelt. Beflügelt durch diverse Lockdowns nahm der Trend sogar weiter an Fahrt auf und machte eine Digitalisierung „über Nacht“ unausweichlich. Vor allem der stationäre Handel wird durch diese Entwicklung beeinflusst und unterzieht sich aktuell einer umfassenden Transformation. Um in diesen Zeiten des Wandels als Gewinner hervorzugehen, müssen sich sowohl Händler als auch Hersteller über die Trends von morgen im Klaren sein und diese in ihre langfristigen Strategien aufnehmen.

Diese Trends beeinflussen den Handel von morgen nachhaltig

Die folgenden Trends haben alle etwas gemeinsam: Ihre Auswirkungen beziehen sich nicht nur auf ihre spezifischen Teilbereiche, vielmehr sind sie miteinander verknüpft und wirken wechselseitig aufeinander. Für die strategische Planung ist dies Fluch und Segen zugleich. Während sich manche Trends einfach miteinander kombinieren lassen, entstehen zwischen anderen Spannungsfelder, die sich nicht so einfach ignorieren lassen.

Neues Verantwortungsbewusstsein jüngerer Generationen beflügelt Nachhaltigkeitstrend

Viele Megatrends sind durch aktuelle Wertevorstellungen geprägt. Der Aspekt der Nachhaltigkeit dürfte aufgrund der aktuellen Situation einer der wichtigsten Werte sein, auf die sich Handel und Hersteller einstellen müssen. Vor allem jüngeren Generationen (Gen Y und Z) ist Nachhaltigkeit sehr wichtig, weshalb sie gezielt nach nachhaltigen Produkten suchen und Unternehmen favorisieren, die nachweislich nachhaltig agieren. Trotzdem möchten viele Shopper nicht auf die Annehmlichkeiten verzichten, die sie vom Online-Shopping kennen.

Hier entsteht ein Spannungsfeld, das sowohl Handel als auch Markenartikelhersteller betrifft. Vor allem fragile Lieferketten sind von dieser Entwicklung betroffen. Shopper erwarten vom stationären Handel, dass Produkte stets verfügbar, günstiger als im Online-Handel und gleichzeitig nachhaltig sind. Gerade in Zeiten von Rohstoffknappheit und daraus resultierender Lieferengpässe ist es für Handel und Hersteller wichtig, ein robustes Supply Chain Management zu führen. Eine Möglichkeit, dieses Spannungsfeld zu lösen, wäre die Partnerschaft mit lokalen Lieferanten. Das stärkt den „buy local“-Gedanken, ist nachhaltig und kann (richtig aufgezogen) dabei helfen, Lieferengpässe zu umgehen. Dies resultiert jedoch oft in höheren Preisen für viele Produkte. Die richtige Vermarktung des „buy-local“-Gedankens kann dabei helfen, Shopper trotz höheren Preisen zu einem Kauf im stationären Handel zu bewegen.

Urbanisierung der Städte: Ohne Handel keine Stadt!

Im Zuge der Digitalisierung hat sich auch die Art und Weise verändert, wie wir arbeiten und wohnen. Für viele ist es aufgrund von Remote-Work nicht mehr notwendig, in unmittelbarer Nähe ihres Arbeitsplatzes zu wohnen. Dennoch lockt die Stadt mit Vorteilen und Annehmlichkeiten, auf die man auf dem Land verzichten muss. Der Wunsch, ländliche Idylle mit den Vorzügen einer Stadt zu kombinieren, führte zu einer entschleunigten Urbanisierung der Stadt. Der Handel spielt in diesem entschleunigten Konzept eine große Rolle. So entwickeln sich die Handelsräume der Städte wieder mehr zu sozialen Treffpunkten und bedienen gleichzeitig den „buy-local“-Wunsch der Shopper.

Händler dürfen sich auf dieser Entwicklung jedoch nicht ausruhen: Neue und interessante Konzepte müssen her. Die Shopping-Experience muss einen Unterhaltungsfaktor liefern, für den Shopper bereit sind, die oftmals höheren Preise des stationären Handels in Kauf zu nehmen. Handelsräume in der Stadt entwickeln sich somit immer mehr zu Entertainment Hubs, in denen Kultur, Gastronomie und Handel zu einem Gesamtkonzept verbunden werden. Mit Hilfe digitaler und ausgefallener Konzepte im Rahmen des Retailtainments lassen sich Erlebnisse schaffen, die Lust auf mehr machen.   

Mobilität: Bindeglied zwischen Nachhaltigkeit und Urbanisierung?

Viele Shopper sind ungeduldig. Sie möchten bestellte Produkte am liebsten sofort in den Händen halten und haben erfahrungsgemäß einen schlechten Eindruck von Unternehmen, wenn deren Lieferzeit 48 Stunden übersteigt. Instant Shopping ist kein Trend mehr, sondern wird immer mehr zum New Normal. Vor allem Shopper in gut vernetzten Städten sind mittlerweile ziemlich verwöhnt, was Instant Shopping angeht. Händler und Hersteller müssen lernen, die immer größer werdende Mobilität der Städte zu ihrem Vorteil zu nutzen. Gleichzeitig dürfen sie ländlichere Gegenden nicht vernachlässigen.

Auch hier entsteht ein Spannungsfeld mit dem Megatrend Nachhaltigkeit. Shoppern ist es vor allem wichtig, dass die Umwelt durch schnelle Lieferungen nicht zusätzlich belastet wird. Sie wünschen sich daher individuelle Lösungen, die sie gut in ihren Tagesablauf integrieren können und die bestenfalls unnötige Fahrten minimieren. Lieferungen an Abholstationen, Kommunikation passender Ablageorte sowie Lieferungen an Partnershops von Versandpartnern können hier gute Alternativen zum klassischen Versand darstellen. Davon profitieren auch Menschen in ländlicheren Gegenden. Pilotprojekte mit Lieferrobotern zeigen heute schon, wie der Versand von morgen aussehen könnte.

Individualisierung der Shopping-Experience

Shopper wünschen sich aber nicht nur eine individuell auf sie abgestimmte Lieferung, sondern auch ein individualisiertes Shopping-Erlebnis. Im Online-Handel schon fest etabliert ist der Trend Curated Shopping. Firmen wie Outfittery oder FORMEL Skin verdeutlichen eindrucksvoll, wie erfolgreich das Modell des individualisierten Angebots von Shoppern angenommen wird. Hier hat der stationäre Handel einen Vorteil gegenüber der Online-Konkurrenz: die Möglichkeit, Kunden persönlich und vor Ort zu beraten.

Eine professionelle und individuelle Beratung führt zu einer höheren Kundenzufriedenheit, einer gesteigerten Kundenbindung und bestenfalls zu Zusatzkäufen, die den Umsatz steigern. Wie Curated Shopping im stationären Handel der Zukunft aussehen könnte, zeigt BonPrix mit ihrem „BonPrix Fasion Connect Store“ in der Hamburger Hafen City. Hier können Shopper ihre Lieblingsstyles bequem per Handy App abscannen und sie bequem in eine hoch moderne Umkleide bestellen. Während die bestellten Kleidungsstücke vorbereitet werden, haben Shopper die Möglichkeit im separaten Lounge-Bereich zu entspannen oder währenddessen andere Besorgungen zu erledigen. In der Umkleidekabine steht ein interaktives Display bereit, über das man bequem andere Größen, Farben oder Modelle direkt in die Kabine bestellen kann. Über das Display haben Shopper die Möglichkeit, Produkte direkt in den Warenkorb zu legen, sodass lange Schlangen an Kassen überfällig werden. Bezahlt wird anschließend an speziellen Terminals, ganz bequem über das Smartphone.

Konnektivität – Bindeglied zwischen stationärem Handel und Digitalisierung

Der „BonPrix Fashion Connect Store“ zeigt, wie wichtig der Trend der Konnektivität für Zukunftskonzepte des stationären Handels ist und auch in Zukunft sein wird. Treibende Faktoren in diesem Bereich sind unter anderem Big Data und Künstliche Intelligenz sowie der Wandel zum Omnichanneling.

Um die eigenen Kunden verstehen zu können, benötigt es Daten, die bestenfalls in Echtzeit erhoben werden. Diese können über unterschiedlichste Kanäle aufgezeichnet werden: Kundenkarten, Social-Media-Interaktionen oder aber eigene Websites. Die Herausforderung besteht jedoch nicht darin diese Datenmengen zu erheben, sondern sie zu verarbeiten, zu analysieren und zu interpretieren. Laut dem McKinsey Global Institute lassen sich operative Margen mit Hilfe von Big Data um 60% steigern, da die großen Datenmengen Aufschluss über das Kundenverhalten der Vergangenheit geben. Aus diesen Erkenntnissen lassen sich sehr zuverlässige Handlungsempfehlungen für die Zukunft ableiten.

In Verbindung mit Omnichanneling Modellen und Künstlicher Intelligenz kann das ganze Potenzial der erhobenen Daten freigesetzt werden. Algorithmen bestimmen auf Basis dieser Daten, welche Produkte und Angebote Shopper höchstwahrscheinlich wahrnehmen würden. In Verbindung mit Apps oder Interaktiven Terminals im Laden lassen sich Kaufreize schaffen, die sonst nicht entstehen würden.