Teil 2: Handel der Zukunft – so hat sich der stationäre Handel in den letzten Jahren verändert

Der klassische Handel hat sich in den letzten Jahren, beschleunigt durch die Pandemie, einer starken Transformation durchzogen. Die Digitalisierung hat sich in Bereichen ausgewirkt, in denen eine digitale Transformation vorher undenkbar gewesen wäre. Vielen Unternehmern wurde durch diese Entwicklung bewusst, wie wichtig eine digitale Strategie für die Resistenz des eigenen Unternehmens in schweren Zeiten ist.

Digitale Transformation des stationären Handels – Entwicklung der letzten Jahre

Während der Pandemie mussten in Deutschland schätzungsweise 200.000 Einzelhandelsbetriebe des stationären Handels ihre Läden aufgrund längerer Lockdowns schließen. Viele Händler sahen sich dazu gezwungen, ihr tägliches Geschäft in die digitale Welt zu verlagern. Im Jahr 2021 verkauften 27% mehr Händler ihre Waren komplett oder parallel zu einem stationären Geschäft im Internet als noch im Jahre 2019. Innenstädte hatten vor der Pandemie mit stagnierenden Besucherzahlen zu kämpfen, während der Pandemie waren sie zeitweise jedoch nahezu ausgestorben. Obwohl die Läden des stationären Handels wieder geöffnet haben und wieder zur Normalität zurückkehren, haben sich die Besucherzahlen der Innenstädte noch nicht erholt. Der stationäre Handel muss sich also auch langfristig Omnichannel Strategien überlegen, um dieser Entwicklung monetär entgegenwirken zu können.

Not macht kreativ – so haben sich die Geschäftsmodelle verändert

In den letzten Jahren fand eine große digitale Transformation des stationären Handels statt. Vor allem bestehende Geschäftsmodelle haben sich nachhaltig verändert und sich an das digitale Zeitalter angepasst. Einfache Beratungsgespräche und der Verkauf von Waren reicht schon lange nicht mehr aus, um Shopper langfristig an sich zu binden und so dem E-Commerce Trend zu trotzen. Im Laufe der Pandemie haben sich vor allem drei Modelle herauskristallisiert, die, richtig umgesetzt, dabei helfen, den stationären Handel relevant zu halten und Shopper langfristig zu binden.

Time Saver – Effizient und schnell Kundenwünsche erfüllen

Das Time Saver Geschäftsmodell zielt darauf ab, zu einem essenziellen Part im Leben des Shoppers zu werden, indem die Customer Experience so zeiteffizient wie möglich gestaltet wird. Ziel ist es, die Wünsche der Shopper schnell und effizient zu erfüllen. Grundlage hierfür ist eine umfassende und digitale Infrastruktur, die Daten bestenfalls in Echtzeit erfassen und auswerten kann.

Erste Ansätze wie z.B. Self-Service Kassen oder Infoterminals sind mittlerweile weit verbreitet und ermöglichen es Shoppern, ihre Einkäufe schnell und selbstbestimmt zu erledigen. Dieses Modell verfolgt auch Amazon mit den in den USA bereits verbreiteten AmazonGo Läden. Amazon verzichtet in diesen Läden komplett auf traditionelle oder SB-Kassen, vielmehr werden die Produkte mittels Kamera und Sensoren erfasst, und nach Verlassen des Ladens automatisch berechnet. Die Zeitersparnis für Kunden ist hierbei enorm, da das Anstehen an langen Schlangen an den Kassen entfällt. Bisherige AmazonGo Läden waren auf die nötigsten Produkte beschränkt, seit 2021 gibt es jedoch auch Geschäfte in Supermarkt Größe.

Experience Creator – Shopping Erlebnis für Groß und Klein

Händler, die sich als Experience Creator sehen, haben es sich zum Ziel gemacht, ihre Kunden mit einer unvergesslichen Customer Experience langfristig an sich zu binden. Mit Hilfe neuer Technologien sollen Erlebnisse geschaffen werden, die Kunden in Erinnerung bleiben und den Einkauf im stationären Handel zu einem besonderen Highlight machen. Im Fokus liegt also nicht mehr das zu verkaufende Produkt, sondern vielmehr der Service und das Erlebnis, das rund um den Einkauf geschaffen wird. Durch die Optimierung sämtlicher möglicher Interaktionen wird eine Intimität geschaffen, die Shopper langfristig an das Unternehmen binden.

Wie das aussehen kann, zeigt Douglas mit seinem Flagship Store in Berlin. Neben Nischen- und Luxusprodukten findet der Shopper hier die Douglas Beauty School, wo sie neue Looks entdecken und selbst lernen können diese zu kreieren. Außerdem gibt es eine eigene Bar, Maniküre- und Stylingstationen, einen eigenen Friseursalon sowie eine Duftbar für ausgiebige Duftberatungen. Hier liegt nicht das Verkaufen von Produkten im Vordergrund, sondern das Schaffen eines Wellness-Erlebnisses für den Kunden.

Problem Solver – Mehrwert durch kundengruppenspezifische Lösungen

Problem Solver machen es sich zur Hauptaufgabe, die Probleme ihrer Kunden zu lösen. Hierbei ist es vollkommen irrelevant, wie spezifisch diese Probleme auf den ersten Blick scheinen. Problem Solver nutzen gezielt Partnerschaften sowie eine ganzheitliche Integration von Data Analytics im eigenen Ökosystem. So können sie individuelle und kundengruppenspezifische Lösungen zu ermöglichen, ohne die eigenen Ressourcen zu überlasten. Sie stellen oftmals Produkte und Dienstleistungen bereit, die nicht unbedingt gewinnbringend sind, sondern ihr Image als Problemlöser manifestieren sollen.

Im E-Commerce etabliert sich zur Zeit der Lebensmittel-Liferservice von Knuspr zum echten Problem Solver. Das Versprechen: eine Lieferung innerhalb von drei Stunden – egal ob frische Lebensmittel, Tierbedarf oder Apothekenwaren. Neben der mobilen App, über die man Bestellungen tätigen und den Status in Echtzeit einsehen kann, bietet Knuspr zusätzlich eine Mitnahme von Pfandflaschen und Tüten an. So ist gewährleistet, dass sich Kunden den Weg zum Supermarkt sparen können und auch in Zukunft bei Knuspr bestellen. Aber auch im stationären Handel gibt es Problemlöser. Bei Media Markt können Kunden ihre defekten Smartphones dem Reparatur Service vor Ort anvertrauen. Kleinere Reparaturen wie defekte Displays oder alte Akkus werden direkt vor Ort durchgeführt. So kann der Kunde sein Gerät nach der Shopping Tour wieder abholen und muss so nicht für längere Zeit auf sein Smartphone verzichten.

Stationärer Handel bleibt relevant, Veränderungen sind vorprogrammiert

Der stationäre Handel musste in den letzten Jahren mit vielen Problemen und Restriktionen zurechtkommen. Obwohl Umsätze und Besucherzahlen zeitweise stark gelitten haben, hat sich gezeigt, wie resistent der stationäre Handel gegenüber Ausnahmesituationen sein kann. Etliche Umfragen und Studien zeigen, dass Kunden auch in Zukunft nicht auf persönliche Einkaufserlebnisse verzichten möchten. Dennoch muss sich der stationäre Handel auf langanhaltende Veränderungen der allgemeinen Geschäftsmodelle einstellen. Shopper erwarten in Zukunft eine Customer Experience, die einzigartig, unterhaltsam und bequem zugleich ist. Eine digitale Transformation des stationären Handels mit Hilfe neuster Technologien wird immer mehr zur Pflicht. Geschäfte können es sich nicht mehr leisten diese als unnötige Spielerei zu betrachten. Händler sollten sich also jetzt schon Gedanken darüber machen, welches Geschäftsmodell und welche Rolle sie für ihre Kunden einnehmen möchten, um auch in Zukunft relevant zu bleiben.