Recruiting: Warum deutsche Unternehmen keine Talente finden

Mobile Recruiting, Active Sourcing, Mitarbeiterempfehlungsplattformen und Big Data liegen im Trend und jeder Branchenmeinungsführer pocht auf die Professionalisierung von HR. Woran die meisten deutschen Unternehmen jedoch scheitern, bevor sie überhaupt einen dieser Trends umsetzen können, ist ein grundsätzliches Defizit: Sie schaffen es nicht sich selbst zu vermarkten. Jedes Unternehmen sucht heutzutage nach Talenten. Nicht nach Menschen oder Mitarbeitern, sondern nach Talenten. Allzu selten sind damit aber tatsächliche Talente eines Menschen gemeint, sondern was dieser Mensch für das Unternehmen tun kann. Selbstverständlich ist das der eigentliche Sinn des Recruitments, dennoch ist dieser Ansatz zu eindimensional.

Bewerbungsprozess: Unternehmen müssen mehr als einen Namen bieten

Wer wirkliche Talente finden und einen Gewinn mit diesen Menschen machen will, muss selbst einen Gewinn außerhalb des Lohns mit an den Tisch bringen können. Personalzufriedenheit beginnt nicht ab dem ersten Arbeitstag, sondern beim Bewerbungsprozess – und das vergessen allzu viele Firmen. Deutsche Unternehmen haben zwar mittlerweile verstanden, dass digitale Bewerbungswege für alle Beteiligten einfacher sind als klassisch analog auf Papier. Aber an diesem Punkt ist meist schon das Ende der Fahnenstange erreicht. Man will keinen Lebenslauf per PDF, sondern dass der Bewerber jeden einzelnen Punkt in ein eigenes Online-Formular überträgt – das macht es einfacher für die HR, der Bewerber wiederum hat über diesen Weg nahezu mehr Arbeit als wenn er seine Unterlagen ausdrucken und verschicken würde. Ein Portal, in dem die relevanten Daten aus dem PDF gezogen werden? Für viele deutsche Firmen noch Zukunftsmusik.

Aber das Problem beginnt schon viel früher: Bei der Stellenausschreibung. Auf die Vakanzen in den sozialen Medien hinzuweisen, ist zwar mittlerweile – endlich! – Standard, wie diese formuliert sind, lässt aber dem Verkaufstalent so mancher Unternehmen zweifeln. Niemals würde man einem Kunden mitteilen, welche Fähigkeiten er mitbringen muss, um es in die nähere Auswahl zu schaffen – warum also schlägt man diesen Ton mit „Talenten“ an? Ein großer Firmenname allein reicht nicht, um die richtigen Menschen, diese Talente, zu überzeugen, dass es ein Gewinn ist, dort zu arbeiten. Nicht umsonst spricht man von Bewerben – der potenzielle Neuzugang macht bei Unternehmen Werbung für sich selbst. Dass diese Werbung aber über zwei Kanäle stattfindet, ist eine Tatsache, die bequem verdrängt wird. Diese Top-Bewerber haben längst nicht mehr lediglich eine Option, sondern können zwischen Firmen auswählen. Das heißt, Unternehmen müssen mindestens genauso Werbung für sich selbst machen wie der Kandidat selbst. Die zu beantwortende Frage in Ausschreibungen sollte also nicht sein: Was kannst du für uns tun, sondern was können wir füreinander tun?

Bewerbungen sollten kein Ausdauertest sein

Und auch der restliche Bewerbungsprozess sollte diesen Grundsatz widerspiegeln: Bewerbungsprozesse sind Arbeit – und niemand wird gerne über längere Zeit im Dunkeln darüber gelassen, wo er oder sie steht. Bewerber werden über unser Bewerbungsportal stets auf dem aktuellsten Stand gehalten – vom Bearbeitungsstatus der Bewerbung bis hin zum Vertragsangebot. Schnelligkeit, Transparenz und vor allem Ehrlichkeit sollten oberste Priorität haben, damit sich Bewerber respektiert fühlen und das Unternehmen, unabhängig von einer späteren Zusammenarbeit, gut aufgehoben fühlt.

Die deutsche Wirtschaft zählt zu den besten auf der globalen Skala – damit das aber auch so bleibt und die im Markt zahlreich vorhandenen qualifizierten Arbeitskräfte sich voll entfalten können, müssen deutsche Unternehmen aber dringendst Nachhilfe im HR-Bereich nehmen. Unternehmen leben von ihren Mitarbeitern und das wird sich auch in Zeiten der Automatisierung nicht ändern. Der entscheidende Faktor für den Erfolg sind wir – die Menschen. Und Bewerber sollten in erster Linie als Menschen behandelt werden: Mit Respekt und Ehrlichkeit. Wer sich anerkannt fühlt, wird dieses Gefühl erwidern und sich motiviert einbringen. Und so entdeckt man die wahren Talente. Nicht über Social Media oder Vitamin B, sondern durch eine Beziehung auf einer Augenhöhe. Es geht nicht um menschliche Talente, sondern um die Talente des Menschen.

Autoren:

Uwe Morawe ist Managing Director.
Mit seinem Blick fürs Detail und seinem Gefühl für Marken gelingt es Uwe Morawe immer wieder, Nischen und neue Konzepte zu finden und die Kunden gewinnbringend und nachhaltig in Szene zu setzen. Seine Neugier und der Wunsch nach Optimierung treiben ihn an. Er betreut die Bereiche Telekommunikation und Handel.

Sirona Anhäuser ist Supervisor für Online Content Management