Mobile Recruiting: Warum mehr Unternehmen aufstocken sollten

Wer sein Smartphone nicht in ständiger Griffweite hat, möge den ersten Stein werfen. Unser Smartphone ist unser persönlicher Assistent, vom Kontostand bis hin zur Urlaubsbuchung machen wir alles mit dem Gerät. Nur das mit dem Bewerben scheint in Deutschland noch nicht so ganz zu funktionieren, obwohl die Devise seit Jahren heißt: „mobile first“. Doch was ist dieses Mobile Recruiting eigentlich? Und warum ist es so wichtig?

Mobile first! Implementation last? – Unternehmen und Mobile Recruiting

Die mobile Unterwegsnutzung wächst seit Jahren kontinuierlich (2017 lag sie immerhin bei durchschnittlich 30 %). Und wer unterwegs online ist, nutzt das Internet im Schnitt auch länger und häufiger mit 209 Minuten pro Tag – bei den unter 30-Jährigen sind es sogar 278 Minuten. Und immerhin suchen ganze 76,1 % der Jobsuchenden mit dem Smartphone nach Stellenangeboten und hängen PCs, Laptops und Tablets mit Abstand ab. Hier liegen offensichtlich Potenziale für Unternehmen, um neue Mitarbeiter zu erreichen. In der Umsetzung hinken die meisten deutschen Unternehmen jedoch hinterher: Ganze 43,2 % geben zu, dass ihr Online-Karriere-Auftritt in keiner Weise mobil optimiert ist. Wenn ein Teil des Online-Karriere-Auftritts mobil optimiert ist, sind es bestenfalls die Stellenanzeigen und die Karriere-Website – der Bewerbungsprozess und -status selbst wird i.d.R. vernachlässigt. Im starken Kontrast stehen dazu die 73 % der Jobsuchenden, die sich mobil bewerben würden und 65 %, die diese Option auch von Unternehmen erwarten.

Dem mobilen Wandel hinterher

Es reicht nicht eine Stellenausschreibung online einzustellen mit der Auffassung, dass mit der reinen Auffindbarkeit das wichtigste erledigt ist. Sieht die Seite am Desktop gut aus, ist mobil aber eine Katastrophe ist damit wenig gewonnen – im Gegenteil, als potenzieller Arbeitgeber outet man sich als hinter seiner Zeit und unprofessionell. Die Candidate Experience sollte zufriedenstellend sein, nicht lediglich zumutbar. So haben 46,6 % schon einmal eine Bewerbung abgebrochen, weil ein Unternehmen nicht ausreichend mobil optimiert war. Ein Viertel erklärt diese Entscheidung damit, dass sie nicht alle Infos auf dem Smartphone zusammen hatten oder dass die mobile Bewerbung nicht möglich war. Mehr als jeder Zehnte wiederum begründet den Abbruch damit, dass die Karriereseite auf dem Smartphone „furchtbar“ aussah.

Erschwerend kommt hinzu, dass eine Bewerbung über ein mobiles Endgerät im Schnitt 39,5 Minuten dauert – die Bewerbung über nicht-mobile Endgeräte braucht mit 46,4 Minuten nur marginal länger. In Anbetracht der Tatsache, dass die mobile Nutzung größtenteils unterwegs und „zwischendurch“ stattfindet, ist diese Zahl erschreckend und unterstreicht die hohe Abbruchquote mobiler Bewerbungen. Es mag verlockend sein, an dieser Stelle über die verkürzte Aufmerksamkeitsspanne der Generationen Y und Z zu scherzen, aber auf Dauer wird Unternehmen mit einer solchen Einstellung das Lachen im Halse stecken bleiben. Die Fachkräfte von Morgen haben die Qual der Wahl bei potenziellen Arbeitgebern. Und wer da im Rennen nicht zurückgelassen werden will, muss dem Bewerber eine angenehme Candidate Experience bieten.

Candidate Experience – eine gemeinsame Reise

Dazu gehört zum einen, dass der potenzielle Bewerber auf das Unternehmen aufmerksam wird – das wird in erster Linie über Jobbörsen und Social Media geschehen – und Informationen sammelt. Darauf folgt dann die Zusendung der Bewerbungsunterlagen, woraufhin der Bewerber dann die verschiedenen Phasen des Bewerbungsprozesses durchläuft. Zum anderen ist auch das Onboarding des neuen Mitarbeiters ein zentraler Teil der Candidate Experience, der ihn oder sie mit Unternehmensabläufen vertraut machen und integrieren soll. Mit der Zeit erlebt der neue Mitarbeiter den Unternehmensalltag und lernt die Arbeitsatmosphäre kennen.
Wie das Unternehmen nach außen wirkt, wird häufig erst ab dem ersten persönlichen Kontakt mit Bewerbern in Betracht gezogen – dass dieser sich seine Meinung aber längst vorher während der Anziehungs- und Kommunikationsphase gemacht hat, wird meist vergessen: „[…] für den Kandidaten bildet die Abfolge vom Personalmarketing über die Bewerbung bis zum Auswahlverfahren einen zusammenhängenden Prozess“ (Kootz 2014, S. 65f.). Das ist fatal, denn so können Unternehmen Spitzenkandidaten verlieren, ehe sie überhaupt kennengelernt zu haben – denn diese Bewerber können es sich leisten, zwischen mehreren Unternehmen zu wählen. Denn letztlich bewerben sich nicht nur Kandidaten bei Unternehmen, sondern auch Unternehmen bewerben sich gleichermaßen bei Arbeitskräften.

Erwartungen der Bewerber treffen


Auch Bewerber bringen eine Reihe an Erwarten an potenzielle Arbeitgeber mit – außerhalb des Gehalts und Image-Aspekten. Und das zeigt auf, dass Mobile Recruiting nicht nur auf der technischen Ebene eine Herausforderung darstellt. So wünschen sich 69,4% der Bewerber innerhalb einer Woche eine Rückmeldung, wie es mit der Bewerbung weitergeht; 12% erwarten eine solche Rückmeldung sogar innerhalb eines Tages – die same day delivery wird also auch im Recruitment zumindest in der Wahrnehmung zum Standard.
Es sollte aber nicht bei der Ab- oder Zusage enden. Egal, zu welcher Entscheidung die Bewerbung führt, es ist lohnenswert die Kandidaten um Feedback zum Bewerbungsprozess zu bitten – zum einen als Zeichen der Wertschätzung und zum anderen als legitime Chance für die Zukunft zu lernen.

Humans first, Ressources next!

Wenn das Smartphone längst jeden Bereich unseres Lebens erfolgreich umfasst – und vereinfacht – sollte sich das auch im Recruitment widerspiegeln. Wer auch in Zukunft kompetente Fachkräfte dort abholen will, wo sie sind (unterwegs am Handy!), der muss mit der Zeit gehen und den Tatsachen ins Auge blicken. Die Spitzenkandidaten haben in der Regel die Wahl zwischen mehreren Optionen. Möchte man, dass diese Wahl auf das eigene Unternehmen fällt, sollte man nicht nur überlegen, was einem ein Bewerber geben kann, sondern was das Unternehmen dem Kandidaten zu bieten hat – dort, wo Menschen sind, wird auch immer ein Geben und ein Nehmen stattfinden. Und die Human Ressources der Unternehmen sind nun am Zug das mobile Bewerben zu ermöglichen.

Literatur:
Jäger, W. Mobile Recruiting Studie 2017 – Fachkräfte mit Berufsausbildung: per Smartphone zum neuen Job?
Koch, W. & b. Frees. ARD/ZDF-Onlinestudie 2017: Neun von zehn Deutschen online.
Kootz, Dr. Jochen, (2014): Kundenorientiertes Personalrecruiting – Eine empirische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung von Customer Experience Management.
Verhoeven, T. Candidate Experience: Ansätze für eine positiv erlebte Arbeitgebermarke im Bewerbungsprozess und darüber hinaus.
Weitzel, T., S. Laumer, C. Maier, C. Oehlhorn, J. Wirth & C. Weinert. Mobile Recruiting.

Autoren:

Uwe Morawe ist Managing Director.
Mit seinem Blick fürs Detail und seinem Gefühl für Marken gelingt es Uwe Morawe immer wieder, Nischen und neue Konzepte zu finden und die Kunden gewinnbringend und nachhaltig in Szene zu setzen. Seine Neugier und der Wunsch nach Optimierung treiben ihn an. Er betreut die Bereiche Telekommunikation und Handel.

Sirona Anhäuser ist Supervisor für Online Content Management